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Michael Hammers Schmiede Aachen

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Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt

19.12.2018

Zum 2. Jahrestag des Anschlages auf den Berliner Weihnachtsmarkt am 19.12.2016

Wenn uns nur Liebe bleibt

von Michael Hammers

An unterschiedlichsten Orten der Welt war ich in den vergangenen bald 25 Jahren mit Arbeiten von besonderer Symbolik betraut.

1996 war es das Golgothakreuz der Jerusalemer Grabeskirche, das, monumental auf der Kuppel über dem sogenannten Katholikon stehend, den Ort der Kreuzigung, Grablegung und Auferstehung Jesu Christi auszeichnet.

2004 war es der Stern für den vielleicht bekanntesten Weihnachtsbaum der Welt vor dem Rockefeller Center in New York.

2017 durfte ich den „goldenen Riss“ im Breitscheidplatz realisieren, der seit Ende Juni dieses Jahres fertiggestellt ist. Der Riss wurde in den Platz hineingemeißelt und mit Gussbronze verschlossen, geheilt.

So unterschiedlich die angeführten drei Orte und Arbeiten auch sind, gemeinsam ist ihnen meine Auseinandersetzung mit den vielen Erklärungsversuchen zum Mysterium des Lebens und der Welt.

In der Weihnacht tritt die Ewigkeit in die Zeit.

In der Weihnacht tritt die Ewigkeit in die Zeit. Das symbolisiert der Stern, der in dieser Nacht über dem Ort der Menschwerdung Gottes stehen bleibt. Denn eigentlich kann er nicht stehen bleiben, so wie die Zeit es nicht kann: Alles entsteht, existiert und vergeht.

Gott hat sich in der Zeit so verwundbar und verletzlich gemacht wie der Mensch es ist. Sein gewaltsamer Tod am Kreuz ist aber nicht das Ende der Zeit, sondern in der Osternacht - im Bild der Auferstehung von den Toten - geht die Zeit über in die Ewigkeit.

Am Breitscheidplatz in Berlin tritt vor der Gedächtniskirche auf brutale Weise in einer Nacht vor der Weihnacht die Ewigkeit in die Zeit all der Menschen, die einfach gerade dort waren und zu Tode kamen. Und genau so müssen es auch all die empfinden, die verwundet wurden, all die, die herbeieilten, um zu retten und zu helfen; die, die zurückgeblieben sind und auch die vielen, die mitfühlen.

Doch das Leben geht weiter, wie man sagt, und auch, dass die Zeit alle Wunden heilt. Was bleibt sind Narben.     

Der "Goldene Riss" ist eine der bleibenden Narben Berlins   

Für mich ist der „Goldene Riss“ eine der Narben Berlins, die bleibt und deshalb immer wieder auch Anlass sein wird, über das unvorstellbar Geschehene zu sprechen. Miteinander reden, um nicht zu vergessen, ist das Wichtigste.

Am ersten Jahrestag des Attentates am 19. Dezember letzten Jahres haben mich zwei Geschehnisse zutiefst berührt.

Während der Gedenkstunde für die Opfer des Terroranschlages im Plenarsaal des Abgeordnetenhauses rezitierte Anja Antonowicz, die den Ort des späteren schrecklichen Geschehens selber erst 10 Minuten vor dem Anschlag verlassen hatte, den Text des Chansons "Quand on n'a que l'amour" von Jaques Brel in seiner deutschen Fassung von Klaus Hoffmann: „Wenn uns nur Liebe bleibt“.

Und dann der Moment um 20.02 Uhr, der Uhrzeit des Attentates, als die tiefe Glocke der Gedächtniskirche 12 Minuten lang läutete und alle und alles andere mitten in Berlin still war.

Das war für mich auch ein Einbruch der Ewigkeit in der Zeit.

„Wenn uns nur Liebe bleibt, als einziger Grund, als einziger Bund, für die Ewigkeit; Wenn uns nur Liebe bleibt, um mit den Ärmsten zu leiden, um sie mit Wärme zu kleiden, trotz aller Erbärmlichkeit; Wenn uns nur Liebe bleibt für die Kraft zum Gebet, für alles Leid dieser Welt wie ein Sänger der Zärtlichkeit; Wenn uns nur Liebe bleibt, als die kleinste Chance für die, die im täglichen Tanz auf der Suche sind nach der Wahrheit; Wenn uns nur Liebe bleibt, einen Weg zu behauen, selbst das Schicksal zu bauen trotz aller Unmöglichkeit; Wenn uns nur Liebe bleibt im Gespräch mit Kanonen, wie ein Lied, ein Chanson, bis dass jede Trommel schweigt; Dann Freunde werden wir, was wir sind; Das erben wir: Wenn uns nichts als Liebe bleibt, dann Freunde, gehört uns die Welt!"

Ich denke immer wieder auch einmal darüber nach, wie wohl zukünftige Jahrestage begangen werden.

Wenn mein Wunsch in Erfüllung ginge, würde in Ewigkeit jedes Jahr um 20.02 Uhr das Leben um den Breitscheidplatz für 12 Minuten innehalten und die tiefe Glocke der Gedächtniskirche läuten.